Freitag, 16. Januar 2015

Ein Wolfsberater kommt -- Teil 2


[Fortsetzung von hier.]


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Freitagabend, 19 Uhr, im Rathaussaal von Groß Söfingen. Samtgemeindebürgermeister Bernd Boltemüller hat zu einer Informationsveranstaltung mit dem Wolfsberater Dr. Matthias Heilig aus Oldenburg geladen - und alle sind gekommen, die sich um ihren Viehbestand sorgen. Die größten Land- und Viehbesitzer sind da: Hademar Nolte aus Noltenkamp, Lüder Bolte aus Hohengössweiler, Udo Söfing von Hof Söfingen, Bernulf Rössing jr. von Gut Rössingen und natürlich Weigelt Schmidtjohann vom Finkenhof, neben ihm sein Sohn Hergen, der auf Finkenhof-Vorwerk für die Zeit üben darf, wenn sein Alter ihm endlich den großen Hof überlässt. Böse Zungen spotten schon seit Jahren, der alte Schmidtjohann habe seinen Sohn aufs Altenteil geschickt, statt selbst dorthin zu ziehen. - In sicherem Abstand von den Großbauern haben die Bio-Landwirte Platz genommen, allen voran Velten Müllerklaus aus Westermänningen, der im Samtgemeinderat Sprecher der 'Wählergruppe' ist, gleichzeitig für die Grünen im Kreistag sitzt und dem obendrein Ambitionen auf ein Landtagsmandat nachgesagt werden; neben ihm sitzt Karsten Klausmüller aus Klein Söfingen, und etwas weiter hinten Eilert Schmidtjohann, der Verlorene Sohn, mit seinem Schwiegervater Edo Lintern, der mitgekommen ist, obwohl er gar keine eigene Bauerei mehr betreibt. Einen weiteren geschlossenen Block in den Zuschauerreihen bilden die fünf Gemeindeschäfer. 

Dass gerade der erzkonservative Weigelt Schmidtjohann sich dafür stark gemacht hat, einen Wolfsberater kommen zu lassen, hat alle überrascht - am meisten wohl Velten Müllerklaus, seinen ewigen Kontrahenten im Samtgemeinderat. Von der Sache her hat er zwar weder anders gewollt noch anders gekonnt, als den Antrag des alten Schmidtjohann zu unterstützen, aber gewurmt hat es ihn doch. Vor allem, dass er nicht zuerst auf diese Idee gekommen ist. Dass sie nun gezwungenermaßen an einem Strang ziehen, weckt bei manch Einem Erinnerungen an die Zeit, als 'Unabhängige' und 'Wählergruppe' noch nicht voneinander getrennt und prinzipiell miteinander verfeindet waren, sondern noch 'Unabhängige Wählergruppe' hießen und bei den Wahlen zum Samtgemeinderat Mehrheiten von nah an hundert Prozent erzielten. Auch das gefällt Velten Müllerklaus nicht, es widerspricht seinem Demokratieverständnis. Dass es Eilert Schmidtjohann war, der seinen Vater auf die Idee mit dem Wolfsberater gebracht hat, ahnt Velten nicht, und Eilert wird sich hüten, das an die große Glocke zu hängen. Velten könnte es ihm übel nehmen, und schließlich sind die wenigen Bio-Bauern der Samtgemeinde auf gute Zusammenarbeit angewiesen. Und sie verstehen sich ja sonst auch wirklich gut. Aber Blut ist eben doch dicker als Wasser - findet zumindest Eilert. 

Die wirkungsvollste Werbung für diese Veranstaltung hat letztlich aber doch der Wolf selbst gemacht. Erst vor zwei Tagen sind auf der Gimmertener Schafweide die traurigen Überreste zweier Schafe gefunden worden - kaum mehr als Wolle und Knochen war von ihnen übrig, und ein drittes Schaf war im Teich ertrunken. Der Gimmertener Gemeindeschäfer ist immer noch etwas blass, er soll abends im Dorfkrug bereits davon gesprochen haben, er überlege, seinen Beruf an den Nagel zu hängen. Inzwischen hat Dr. Heilig, der Wolfsberater, den Schauplatz dieses Dramas besichtigt, um Spuren zu sichern, und hat bestätigt, der erste Eindruck deute tatsächlich stark auf einen Wolf hin. Der erste Eindruck genüge jedoch noch nicht, um vom Land Niedersachsen Entschädigung zu bekommen. 

Beim Stichwort 'Entschädigung' sind die Bauern und die Schäfer natürlich hellhörig geworden, besonders die, die bisher noch gezweifelt hatten, was ein Wolfsberater aus der Stadt ihnen eigentlich nützen soll. Nun sind sie begierig, Genaueres zu erfahren. -- der Wolfsberater ist ein kleiner, dünner Mann mit einem bis auf die Brust reichenden Vollbart und trägt einen Rollkragenpullover unter einem nicht mehr ganz neuen Sportsakko, dazu eine randlose Brille. An seiner Hand glänzt auffällig ein Ehering, und das allein würde den versammelten Bauern schon genügen, in ihm einen typischen Städter zu erkennen. Sie selbst tragen ihre Eheringe, sofern sie verheiratet sind, nur sonntags, da sonst die Gefahr zu groß wäre, sie bei der Arbeit zu verlieren. Er wirkt etwas nervös, während er seinen Laptop mit dem selten genutzten Videobeamer des Rathaussaals verbindet; vielleicht macht die Technik ihm zu schaffen, aber vielleicht schüchtern ihn auch die vierschrötigen Bauerrngestalten ein, die allmählich ungeduldig mit den Hufen zu scharren beginnen. Um die Zeit zu überbrücken, bis Dr. Heilig seine Technik zurechtgefummelt hat, tritt erst einmal Samtgemeindebürgermeister Bernd Boltemüller ans Mikrofon und hält eine kleine Begrüßungsansprache. 

Wie sein Name verrät, stammt der Bürgermeister aus einer Familie, die bis vor ein paar Generationen die zum Besitz der Boltes gehörende Mühle in Niedergössweiler in Pacht hatte. Die Mühle beherbergt heute ein Museum und gehört der Gemeinde Gössweiler, trägt aber immer noch den Namen Boltemühle. Zum Bürgermeister hat Bernd Boltemüller es vor allem deshalb gebracht, weil er keiner der großen Familien und keiner der heftig zerstrittenen politischen Richtungen angehört, weder besonders konservativ noch besonders fortschrittlich ist und somit praktisch keine Feinde hat. Andererseits hatten die Bauern aus denselben Gründen auch noch nie besonders großen Respekt vor ihm, und seit es sich herumgesprochen hat, wie er einmal spät abends halb nackt über den Balkon aus dem Schlafzimmer seiner Geliebten geflüchtet ist, weil ihr Ehemann unerwartet nach Hause kam, ist es damit ganz vorbei. Dass seine Begrüßungsansprache keiner großen Aufmerksamkeit gewürdigt wird, liegt aber wohl nicht nur daran. Schließlich sind die anwesenden Bauern und Schäfer nicht seinetwegen hier, sondern weil sie hören wollen, was der Wolfsberater ihnen zu sagen hat. 

Dieser ist inzwischen endlich so weit, seine PowerPoint-Präsentation zu starten. Als erstes erscheint auf der Leinwand eine Art Titelblatt, mit Datum und Ort der Veranstaltung, dem Namen des Referenten und der leicht provokanten Überschrift "Wer hat Angst vorm bösen Wolf?". Dem Publikum scheint die darin enthaltene ironische Spitze jedoch zu entgehen. 
-- Nach einigen einführenden Worten, die den versammelten Bauern und Schäfern im Grunde nichts verraten, was sie nicht schon vom Bürgermeister gehört hätten, drückt der Referent eine Taste seines Laptops, und anstelle des Titelblatts erscheint ein Foto auf der Leinwand: Es zeigt einen Jäger, der stolz neben dem an den Hinterläufen aufgehängten Kadaver eines erlegten Wolfs posiert. 
"Hier sehen Sie eines der gefährlichsten Raubtiere unseres Planeten", erklärt Dr. Heilig. "Jedes Jahr tötet oder verstümmelt es weltweit unzählige andere Lebewesen." Nach einer bedeutungsschweren Pause fügt er hinzu: "Rechts daneben sehen Sie einen gesetzeswidrig umgebrachten Wolf." 

Eine peinliche Stille breitet sich im Saal aus. Eilert Schmidtjohann hält sich die Hände vors Gesicht und zählt leise: einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig... So lange dauert es, bis der 'induktive Einstieg' des Referenten in die Hirne der Anwesenden eingesickert ist, und nun bricht der Tumult los. Lautes Murren, Buh-Rufe und Pfiffe erfüllen den Saal; den Gemeindeschäfer von Gimmerten hält es nicht mehr auf seinem Sitz, er springt auf, bebend vor Zorn, und beschimpft den Wolfsberater unflätig, bis seine eigenen Kollegen ihn an den Schultern packen und auf seinen Stuhl niederzwingen. Dem Bürgermeister steht angesichts dieser Eskalation die Panik ins Gesicht geschrieben, während der Wolfsberater seltsam ungerührt scheint - ja, er wirkt sogar gelassener als vor dem Beginn seines Vortrags. 

Im allgemeinen Durcheinander sieht nun Velten Müllerklaus seine Stunde gekommen. Er erhebt sich von seinem Platz und stellt sich mit ausgebreiteten Armen vor den Referenten und den angstschweißtriefenden Bürgermeister. Ein Marc Anton in Latzhose und Gummistiefeln. Freunde, Römer, Mitbauern. Mit wenigen staatsmännischen Sätzen, um die der Bürgermeister ihn beneiden müsste, wenn er sie vor lauter Kopflosigkeit überhaupt richtig mitbekäme, gelingt es ihm, die Veranstaltungsbesucher so halbwegs zur Ruhe zu bringen. Sie sollten sich doch erst einmal anhören, was der Wolfsberater zu sagen habe, sagt er - dazu seien sie schließlich hier. 

Dr. Heilig hat derweil die nächste Folie seiner Präsentation aufgerufen: eine Landkarte Niedersachsens, auf der die Orte eingezeichnet sind, an denen in den letzten Jahren nachgewiesenermaßen Wölfe aufgetaucht sind - garniert mit bunten Kreisdiagrammen, die die Schäden illustrieren, die durch die Wölfe verursacht wurden. Links unten im Vordergrund ist die leicht stilisierte Zeichnung eines heulenden Wolfs zu sehen. 
"Der Wolf", doziert Dr. Heilig, "hat in unserem Land seit Jahrtausenden seinen natürlichen Lebensraum gehabt - mindestens so lange wie der Mensch. Extensive Landwirtschaft und eine übertriebene Angst des Menschen vor der Gefährlichkeit des Wolfs haben seit dem 19. Jahrhundert dazu geführt, dass der Wolf in Deutschland praktisch ausgerottet wurde. Seit einigen Jahren gibt es hier jetzt wieder Wölfe. Das ist zunächst einmal eine gute Nachricht." 

Erneute Unmutsäußerungen unterbrechen den Vortrag, und Velten Müllerklaus steht erkennbar schon wieder in den Startlöchern, um erneut beschwichtigend einzugreifen. Hademar Nolte aus Noltenkamp fragt den Referenten gereizt: "Was für eine Art von Doktor sind Sie eigentlich?" 
Die Frage ist nun zugegebenermaßen etwas peinlich. So ein Doktortitel macht sich gut auf der Visitenkarte, und im Fall von Dr. Matthias Heilig ist er sogar echt - hat aber nichts mit seiner Tätigkeit als Wolfsberater zu tun. Lange bevor er sich im Wolfcenter in Dörverden zum Wolfsberater hat ausbilden lassen, hat Matthias Heilig Stadtplanung studiert und eine Dissertation über Abwasserwirtschaft verfasst. 
Ein erneuter Zwischenruf überhebt den Referenten einer Antwort: "Ich will jetzt mal wissen, wie das mit der Entschädigung ist", wirft Bernulf Rössing jr. vergleichsweise sachlich ein. Dr. Heilig seufzt; er hätte es zweifellos vorgezogen, sich an sein vorbereitetes Konzept zu halten, sieht aber wohl allmählich ein, dass es zwecklos ist. "Das Land Niedersachsen", erklärt er gemessen, "zahlt Entschädigungen für alle Schäden, die den Landwirten durch Wölfe zugefügt werden - vorausgesetzt, es lässt sich nachweisen, dass wirklich Wölfe für diese Schäden verantwortlich sind. Dieser Nachweis wird in der Regel durch DNA-Tests erbracht." 
"Und wenn es sich nicht nachweisen lässt?", fragt der Gemeindeschäfer von Gimmerten und denkt dabei wohl an sein im Teich ertrunkenes Schaf. 
Der Wolfsberater zuckt mitleidig mit den Achseln. 
Nun meldet sich, zur allgemeinen Verblüffung, Hergen Schmidtjohann zu Wort. "Entschädigung ist ja gut und schön", murrt er. "Ein Schaf oder eine Kuh kann das Land uns wohl ersetzen - aber was ist, wenn der Wolf eins unserer Kinder frisst?" 
Offenbar gegen seinen Willen stößt der Wolfsberater ein spitzes Gelächter aus, und auch einige der älteren Bauern lachen. Natürlich betrachten auch sie den Wolf als eine reale Bedrohung, sonst wären sie nicht hier; aber Hergen Schmidtjohann hat als Kind wohl einmal zu oft Rotkäppchen vorgelesen bekommen. 

Noch ehe die Versammlung sich wieder beruhigt hat, erhebt sich der alte Schmidtjohann von seinem Sitz, schüttelte gravitätisch den Kopf und verlässt schweigend und mit seinen charakteristischen, betont behäbigen Schritten, die Fäuste tief in den Jackentaschen, den Saal. Das versetzt die Anwesenden in noch größere Unruhe als alles Vorangegangene; auch der Referent wirkt zunächst irritiert, aber dann greift er den Faden seines Vortrags wieder auf, als wäre nichts geschehen. Eilert Schmidtjohann flüstert seinem Schwiegervater Edo Lintern ein paar Worte zu, dann folgt er seinem Vater nach draußen. 

Dieser stopft sich gerade gemütlich seine Pfeife, als Eilert mit fragendem Blick auf ihn zugeht. "Kasperletheater da drinnen", brummt der Alte knapp und reißt sich ein Streichholz an. "Mit deinem Doktor Heilig als Kasper, Bernd Boltemüller als Seppel, Hergen als Gretel und dem Wolf als Krokodil. Aber ich bin nicht die Großmutter, der die Kaffeemühle geklaut wurde!" 
"Und was heißt das jetzt?", fragt Eilert besorgt. 
"Dass dein Doktor Heilig als Wolfsberater 'ne Fehlbesetzung ist, das heißt das!", schnaubt Weigelt Schmidtjohann. "Dabei hätte er eigentlich was Sinnvolles zu sagen, wenn er sich nicht damit aufhalten würde, die Landleute vor den Kopf zu stoßen." 
Eilert sieht seinen Vater verwirrt an. "Und woher weißt du das?" 
Mit einem breiten Grinsen, das seine spitzen, verfärbten Zähne entblößt, zieht der Alte ein zusammengerolltes Bündel Papiere aus der Innentasche seiner Allwetterjacke. "Hab mir den ganzen Sermon gestern schon schriftlich geben lassen", erklärt er. "Vorträge anzuhören ist nicht so mein Fall, wie du weißt. Bin heute eigentlich nur hier, um -" er unterbricht sich mit einem Geräusch, das wie ein Gemisch aus Lachen und Husten klingt - "'Präsenz zu zeigen', wie Velten Müllerklaus das nennen würde. - Sieh man zu, dass dir nicht das Gesicht aus dem Kopf fällt", fügt er hinzu und boxt seinem Ältesten, der vor Verblüffung Mund und Augen aufsperrt, kameradschaftlich auf die Brust. "Un' holl din' olen Vadder man nich' för dösiger, as he is'." Er lacht laut, und Eilert lässt sich davon anstecken. 

"Aber im Ernst", fährt der Alte fort und schlägt mit dem Handrücken gegen das zusammengerollte Vortragsmanuskript. "Da stehen ein paar ganz vernünftige Vorschläge drin, was man gegen Wölfe tun kann. Elektrozäune ziehen, speziell abgerichtete Hütehunde anschaffen. Das bietet alles keinen hundertprozentigen Schutz, aber das ist auch gar nicht nötig. Es reicht schon, es dem Wolf ein bisschen schwerer zu machen, dann geht er woanders hin." 
Eilert nickt beeindruckt, und der Alte zieht behaglich an seiner Pfeife. "Weißt du was? - Vielleicht lass ich mich selber in Dörverden zum Wolfsberater ausbilden, wenn ich die Landwirtschaft mal drangebe. Ich könnte das bestimmt besser als dieser komische Suppenkasper Doktor Heilig. Und wenn auch nur, weil ich verstehe, wie unsere Landleute ticken." 

Und wie Wölfe ticken, verstehst du auch, denkt Eilert. Und er denkt es nicht nur anerkennend, sondern sogar beinahe zärtlich. 



Mittwoch, 14. Januar 2015

Ein Wolfsberater kommt -- Teil 1

Über dem Wetterhof in Winnenhögede geht die Sonne auf, aber Bauer Eilert Schmidtjohann ist schon seit ein paar Stunden auf den Beinen. Die Kühe mussten gemolken, die Hühner und Schweine versorgt werden und was nicht noch alles. Erst als die wichtigsten Morgenarbeiten erledigt sind und er sich außerdem gründlich gewaschen hat, gönnt er sich ein Frühstück. Seine Frau Lena, die schon mit den Kindern gefrühstückt hat, bevor sie diese je nach Alter zur Schule oder zum Kindergarten gebracht hat, setzt sich zu ihm und trinkt aus Geselligkeit noch eine Tasse Kaffee. So machen sie es jeden Morgen, seit zehn Jahren, und beide möchten es nicht missen. Geredet wird dabei meist nicht viel, und in der Regel ist das ein gutes Zeichen. Heute aber ist die Atmosphäre angespannt. 

"Ich will vunnachmiddach wohl mal min' Vadder besuchen", sagt Eilert unvermittelt, in jenem Gemisch aus Hoch- und Plattdeutsch, das für die jüngeren Bauern dieses Landstrichs so charakteristisch ist. 
"Warum?", fragt Lena Schmidtjohann mit gerunzelten Brauen. Sie mag ihren Schwiegervater nicht, und Eilert kann ihr das im Grunde nicht verübeln. Knapp antwortet er: 
"Wegen dem Wolf." 
Der Genitiv ist den Bauern der Samtgemeinde, den alten wie den jungen, unbekannt. 

Tags zuvor hat Eilert Schmidtjohann auf seiner Weide ein totes Kalb gefunden - halb ausgeweidet, offenbar gerissen von einem wilden Tier. Eilert ist sich sicher, das kann nur ein Wolf gewesen sein. Zwar wäre das seit Menschengedenken der erste Wolf, der in der Samtgemeinde auftaucht, aber in einigen anderen Landkreisen der weiteren Umgebung hat es solche Fälle schon gegeben. 

"Und was soll dein Vadder dabei tun?", fragt Lena eine Spur gereizt. "Der lacht dich doch nur aus! Du wärst selbst schuld, wird er dir sagen, dass du deine Rinder auch im Winter auf der Weide lässt, statt sie in den Stall zu sperren." Ihre großen blauen Augen funkeln zornig, und Eilert kann nur denken: Sie ist immer noch genauso schön wie vor zehn Jahren. 
"Kuck mich nicht so verliebt an!", blafft Lena. "Ich versuch' gerade, mit dir zu streiten!" Aber dann muss sie doch lachen. 

"Süh mal", erwidert Eilert sanft, "es is' wahr, dass Vadder nichts davon hält, wie ich meinen Hof bewirtschafte. Aber das hat damit nichts zu tun. Der Wolf kann auch für sein Vieh gefährlich werden, das muss er einsehen." 
Lena trinkt ihren Kaffee aus, und als sie vom Frühstückstisch aufsteht, legt sie ihrem Mann eine Hand auf den Arm. "Mach, was du für richtig hältst", sagt sie und lächelt. 

Auf dem ganzen Weg zum Finkenhof sagt sich Eilert Schmidtjohann, seine Frau habe Recht: Der Alte werde ihm unverhohlen seine Schadenfreude ins Gesicht klatschen. Seit Eilert von der Universität nicht nur lange Haare und einen Vollbart, sondern auch einen Sack voller Ideen zu ökologischem Landbau und Bio-Viehhaltung mit nach Hause gebracht hatte, war das Tischtuch zwischen ihm und dem Alten zerschnitten, und so ist es geblieben. Auf seinem Hof, hatte Weigelt Schmidtjohann gepoltert, wolle er solchen Öko-Quatsch nicht haben; also hatte Eilert den benachbarten Wetterhof von seinem Schwiegervater Edo Lintern übernommen, zunächst in Pacht, ein paar Jahre später hat er ihn dann gekauft. Und Weigelt Schmidtjohann hatte geschworen, er werde nie wieder einen seiner Söhne auf die Universität schicken. Leider hat er neben Eilert nur noch einen weiteren Sohn, Hergen - und der muss es nun ausbaden. Dafür soll er auch den Finkenhof übernehmen - nur wann, das steht in den Sternen. Noch fühlt Weigelt Schmidtjohann sich nämlich viel zu vital für das Altenteil. Und zu Recht, wie Eilert neidlos anerkennen muss. Manchmal kommt der Alte ihm sogar vitaler vor als Hergen. 

Mit solchen Gedanken stellt Eilert seinen VW-Kombi vor dem Wohngebäude des Finkenhofs ab. Am Vordereingang geht er vorbei, der ist nur für Lieferanten und Fremde; Familie und Freunde nehmen den Hintereingang, und der ist tagsüber immer unverschlossen. Angst vor Einbrüchen und Diebstahl hat man vielleicht auf den größeren Dörfern wie Gimmerten und Groß Söfingen, aber nicht hier draußen auf dem Land, wo kilometerweit im Umkreis niemand wohnt, den man nicht von Kindesbeinen an kennt und mit dem man nicht um ein paar Ecken verwandt ist. 

Eilerts Mutter, die am Küchentisch sitzt und Wintergemüse zum Einkochen vorbereitet, erschrickt fast, als ihr Erstgeborener die Küche betritt; aber es ist ein freudiges Erschrecken. Kurzerhand lässt sie Messer und Kohlstrünke fahren und springt von ihrem Stuhl auf, um den Sohn in ihre kräftigen Arme zu schließen. "Eilert, min Jung'", sagt sie gerührt. "Dat du us ok mal woller besöken kummst." Und was als Nächstes kommt, weiß Eilert schon im Voraus: ein Griff in seine schulterlangen dunkelblonden Locken, ein missbilligendes Kopfschütteln. "Ach Jung, wie du woller utsöchst. Wisst du di nich mol din' Haar snieden laten." Sie spricht den Satz ohne ein Fragezeichen am Ende aus, denn im Grunde ist es keine Frage: Sie weiß, dass sie darauf keine Antwort erhalten wird, jedenfalls keine, die ihr gefallen würde. Daran hat sie sich gewöhnt. Aber sagen muss sie es trotzdem
"Ick wull eens mit Vaddern snacken", erklärt Eilert, die Kritik an seiner Haartracht souverän ignorierend. 
"Vadder is nich an't Huus", erwidert seine Mutter. 

Das ist ungewöhnlich. Es ist heller Nachmittag an einem ganz normalen Arbeitstag, es ist weder Wochenmarkt noch sonst ein ersichtlicher Grund für einen Bauern, außer Haus zu tun zu haben. Eine Sitzung des Samtgemeinderats, in dem Weigelt Schmidtjohann Fraktionssprecher der 'Unabhängigen' ist, steht auch nicht an. "Wo is he denn?", fragt Eilert daher. 
So genau kann seine Mutter ihm das nicht sagen. Gestern Abend hat der Alte sich aus heiterem Himmel in seinen grünen Rock geworfen, die Jagdflinte unter den Arm geklemmt und ihr beim Verlassen des Hauses lediglich zugerufen, sie solle nicht mit dem Essen auf ihn warten. Seitdem hat sie ihn nicht mehr gesehen. 
Eilert ahnt, was das zu bedeuten hat, und im ersten Moment weiß er nicht, ob er lachen oder zornig werden soll. Rasch verabschiedet er sich von seiner Mutter - nicht ohne ihr zu versprechen, sie bald wieder zu besuchen - und springt wieder in seinen Kombi. 

Unweit eines mindestens zwei Jahrhunderte alten Grenzsteins, der die Grenze zwischen dem Dorf Gimmerten und den Bauerschaften Finkenhof und Winnenhögede markiert und damit auch das westlichste Ende von Weigelt Schmidtjohanns Landbesitz bezeichnet, steht seit Menschengedenken ein Jagdhochsitz. Dorthin lenkt Eilert nun sein Fahrzeug, und richtig: Da oben hockt der Alte, das Gewehr im Anschlag. Seit gestern Abend, denkt Eilert kopfschüttelnd. Das müssen schon über zwanzig Stunden sein

Er steigt aus dem Wagen und ruft: "Vadder, was machst du da oben?" 
"Was wohl", grunzt der Alte unwirsch. "Ich beschütze meinen Besitz!" 
"Wovor?", fragt Eilert. 
"Dass gerade du das fragst! -- Vor dem Wolf natürlich, der dein Kalb gerissen hat! Auf meinem Land will ich den nicht haben, das kannst du wissen!" 
"Aber Vadder", erwidert Eilert so begütigend, als spräche er mit einem Schwachsinnigen. "Wölfe stehen unter Naturschutz." 
"Naturschutz, papperlapapp!", kläfft der Alte. "Und wer schützt mein Vieh?" 
Eilert schweigt einen Moment und lächelt nachsichtig. Dann, als hoffe er, seinen Vater zugänglicher zu finden, wenn er Plattdeutsch mit ihm spricht, sagt er ruhig: "Kumm man daal, Vadder." 
"Nä, kumm du man läwer 'rup!", entgegnet der Alte ohne Zögern. 
Immerhin, denkt Eilert und macht sich daran, die moosbewachsenen Sprossen der etwas wackligen Leiter zu erklimmen. 


Als Eilert oben ankommt, rückt sein Vater auf der harten Holzbank ein Stück zur Seite, damit der Junior sich neben ihn setzen kann. Das ist ein gutes Zeichen, aber ein noch besseres Zeichen ist es, dass der Alte sein Gewehr herunternimmt und gegen die Wand des Hochsitzes lehnt. 
Eine Weile sitzen die Beiden schweigend nebeneinander und schauen ins Weite. Dann fragt der Alte: "Und was meinst du, was wir mit dem Wolf machen sollen - wenn wir ihn nicht erschießen dürfen?" 
"Wir müssen einen Wolfsberater aus Oldenburg kommen lassen", erwidert Eilert fest. 
Sein Vater lacht höhnisch auf. "Wolfsberater?", poltert er los. "Was' das denn für'n Unfug?" 
Eilert bleibt ganz ruhig. "Es is' nun mal so, Vadder. Dass es neuerdings wieder Wölfe in Niedersachsen gibt, nachdem es jahrzehnte, ja fast Jahrhunderte lang keine gab, das bringt natürlich Probleme mit sich. Gerade für die Bauern, und nicht nur hier bei uns. Deshalb gibt es Wolfsberater, die den Bauern helfen, damit umzugehen." 

Während er spricht, geschieht etwas Erstaunliches: Weigelt Schmidtjohann zieht seine kurze, krumme Pfeife aus der Tasche seines Jagdrocks und stopft sie in aller Seelenruhe. "Jung, du snackst all woller as'n Book", sagt er, er lächelt sogar dabei. 
Minuten vergehen, in denen der Alte einige stark riechende Wölkchen in den Himmel pafft; dann fragt er: "Und du meinst, dass das hilft?"
"Das is' das Einzige, was hilft, Vadder." 
"Und wer soll das bezahlen?", fragt Weigelt kritisch. 
Eilert lacht. "Du bist doch so'n großes Tier im Samtgemeinderat", sagt er. "Da bist du doch wohl genau der richtige Mann, um durchzusetzen, dass die Samtgemeinde die Kosten übernimmt." 

Der Alte pafft noch ein paar Wölkchen, dann nickt er langsam und bedeutungsschwer, und Eilert weiß, dass es sich gelohnt hat, seinen Hof einen nachmittag lang sich selbst zu überlassen. 


*      *      *

[Fortsetzung folgt!] 


 

Mittwoch, 7. Januar 2015

Wenn das der Führer wüsste...

Als ich heute zur Arbeit kam, begrüßte mich die Redaktionssekretärin Irmtraud Lücking gleich mit den Worten: "Hasso Wieting hat uns mal wieder eins seiner Gedichte geschickt." 
Ich stöhnte unwillig auf und fragte mit säuerlicher Miene: "Und wie schlimm ist es?"
"Keins von den ganz Schlimmen", entgegnete Irmtraud achselzuckend. Das konnte nun allerdings alles Mögliche bedeuten. 

Ich erinnere mich noch ganz genau an das allererste Gedicht von Hasso Wieting, das ich jemals im Landkreisboten gelesen habe - lange bevor ich selbst Redakteur bei dieser ruhmreichen Zeitung wurde. Es hieß 'Wat us dat Läben lehrt', und schon die erste Strophe ließ mir die Galle übergehen. 

"Wenn een as Jung' nich mal in'n Droom
klaut Appels vun sien Nahbers Boom - 
wer för de Annern böögt sien Nacken,
wer kien jung Dirn' in't Bett kann snacken - 
de treckt sik säker noch as Mann 
de Büxen mit de Knieptang an!" 

"In't Bett snacken", so so. Einmal ganz abgesehen von den sonstigen Qualitäten dieser Verse fand ich es mehr als geschmacklos, wie dieser alte Sack, der Hasso Wieting schon damals war, seine sexuellen Phantasien in Bezug auf junge Mädchen vor den Zeitungslesern ausbreitete. In der zweiten Strophe wurde er dann politisch - beziehungsweise, wie man es in jenen Jahren auszudrücken pflegte, politikverdrossen

"Wer braav sien Krüüz makt bi de Wahlen
un denkt: 'Dat ward sik utbetahlen', 
wer meent, dat sik dat so gehöört, 
wie disse Lüüd us' Land regeert, 
wer de Politikers vertruut, 
de hett sien Huus up Treibsand buut!" 

Die weiteren Strophen wurden dann tendenziell harmloser und prangerten nur noch den naiven Glauben an Werbung, Wetterbericht und Horoskope an, aber ich war bereits ausreichend empört, um bei nächster Gelegenheit den damaligen Redaktionsleiter zu fragen, wie um alles in der Welt man so etwas veröffentlichen könne. "Die Frage ist vielmehr", erwiderte der Kollege trocken, "wie man es nicht veröffentlichen kann." 

Heute, da ich selbst Lokalredakteur beim Landkreisboten bin, weiß ich, wie er das gemeint hat. Es ist tatsächlich nicht so einfach, die Veröffentlichung eines Gedichts von Hasso Wieting abzulehnen. Hasso Wieting, pensionierter Finanzbeamter mit einem reizenden Häuschen in Griesenborn, einem Flecken der Gemeinde Möhlenbeek, ist nicht einfach irgendein reaktionärer alter Schnarchsack mit einem unheilvollen Faible für das Schmieden plattdeutscher Verse, sondern ein enorm einflussreicher reaktionärer alter Schnarchsack. Er war lange Jahre Mitglied des Gemeinderats von Möhlenbeek (für die 'Unabhängigen'), ist in unzähligen Vereinen der Samtgemeinde aktiv, teilweise - wie bei den Kyffhäusern oder im Volkstumsverein - sogar Ehrenmitglied; bei der Freiwilligen Feuerwehr ist er Ehrengemeindebrandmeister, und, was mich bei seinem fragwürdigen Demokratieverständnis und seinem beständigen Wettern über 'die Politik' ernsthaft in Erstaunen versetzt: Er ist sogar Träger des Bundesverdienstkreuzes. 

Bei offiziellen Anlässen, bei denen er eine Chance wittert, auf ein Zeitungsfoto zu kommen - und tatsächlich hat er bei seinem Ansehen ziemlich oft die Chance dazu -, trägt er sein Bundesverdienstkreuz  gern gut sichtbar am Jackett. Kürzlich zum Beispiel beim Neujahrsempfang auf Gut Rössingen. Leider bin ich da nicht nah genug an ihn herangekommen, um mich zu überzeugen, ob es wirklich ein echtes Bundesverdienstkreuz ist - oder ob da vielleicht irgendwo ein Hakenkreuz drauf ist. 

Ich muss übrigens betonen, dass das oben zitierte Gedicht 'Wat us dat Läben lehrt' keinesfalls zu Hasso Wietings schlimmsten gehört. Ja, selbst ein Gedicht, das er offenbar ursprünglich für einen Kameradschaftsabend der Kyffhäuser geschrieben hatte und in dem die Tapferkeit der deutschen Landser des Zweiten Weltkriegs, sofern diese "bit tolest" bei der Fahne geblieben seien, gepriesen, die "Desertöörs" hingegen als "Verräter" und "feiget Lumpenpack" geschmäht wurden, gehörte noch nicht zu seinen schlimmsten. Übler war da schon ein Gedicht über den Drogenkonsum der heutigen Jugend, von dem mir vor allem das unsterbliche Verspaar "Haschisch, Koks un Heroin / fleuten sik de Kiffers rin" im Gedächtnis geblieben ist und das auf die Aussage hinauslief, Drogensüchtige könnten gar nichts Besseres tun, als sich per Überdosis "över'n Jordan" befördern - dann fielen sie Staat und Gesellschaft wenigstens nicht mehr zur Last. Und als jüngst, in der Adventszeit, im Landkreisboten ein Artikel über im Nachbarlandkreis aufgenommene syrische Bürgerkriegsflüchtlinge  erschien, die im Zuge eines Integrationskurses unter anderem lernten, Weihnachtsplätzchen zu backen, antwortete Hasso Wieting mit einem Gedicht, dessen Pointe lautete: 

"Könnt wi denn selber nich mehr backen? 
Wat bruukt wi darto de Kanaken?" 

In diesen und einigen anderen Fällen musste ich in meiner Eigenschaft als Redakteur dann doch einschreiten und die Veröffentlichung ablehnen. Obwohl das, wie schon gesagt, gar nicht so einfach ist. Im Grunde bleibt einem, um den verbohrten Altnazi nicht vor den Kopf zu stoßen, nicht viel Anderes übrig, als ihn behutsam darauf hinzuweisen, dieses Gedicht sei womöglich etwas zu kontrovers für die Leserschaft des Landkreisboten, und ihn höflich zu bitten, aus Rücksicht auf eventuell andersdenkende Leser lieber ein anderes Gedicht mit weniger konfliktträchtiger Thematik zu schicken. Vermutlich bestärkt ihn das in seiner Überzeugung, der letzte richtige Kerl in einer Welt voller Weicheier zu sein, und das schmeichelt ihm; jedenfalls gibt er in der Regel nach. Der einzige Haken an der Sache ist: Was er einem dann schickt, das muss man drucken. 

Ich nahm also all meine Selbstbeherrschung zusammen, um mir anzusehen, was der Herr Ehrengemeindebrandstifter, äh nein, ich meine: -meister uns diesmal so beschert hatte. 'Us' Heimat mööt wi ehren!', war das Gedicht betitelt, na wie schön. 

"De Paster hett us darmols lehrt: 
'Wer Vadder un' ok Mudder ehrt, 
de schall lang läben up de Eerd
up dat Land, dat em togehöört." 

Nanu, dachte ich halb belustigt, halb irritiert, eine Predigt über das 4. Gebot? Arbeitet Hasso Wieting neuerdings auch als Ghostwriter für die evangelischen Pastoren der Samtgemeinde, die ihre Schäfchen drei-, vier-, fünfmal im Jahr mit plattdeutschen Gottesdiensten beglücken? Aber nein, das Gedicht schlug bald eine andere Richtung ein, indem es die Mutterliebe mit der Heimatliebe gleichsetzte: Die Heimat, unser aller Mutter - die Erde, der wir entsprossen sind. Das roch alles recht streng nach Blut und Boden, aber immerhin forderte der alte Sack in diesem Gedicht nicht die Wiedereinführung der Prügelstrafe in der Schule oder der Todesstrafe im Strafvollzug, und er hetzte ausnahmsweise auch mal nicht gegen Migranten oder gegen die Empfänger staatlicher Sozialleistungen. So gesehen war das Gedicht also tatsächlich eines seiner erträglicheren. 

Gleichwohl schwadronierte Hasso Wieting auch hier wieder ausgiebig über seine Lieblingsbegriffe Ehre, Pflicht und Sitte, bis das Gedicht schließlich in den Versen gipfelte: 

"Wenn all', de an dat Gode glöövt, 
un' all', de use Heimat leevt, 
de't Hart hebbt an den rechten Fleck 
tosam'steiht för den goden Zweck 
denn schall ick dat woll noch erläben, 
dat wi us all' de Hand könnt geben."  

(Erstaunlich finde ich es, nebenbei bemerkt, dass jemand, der das Plattdeutsche so oft und so emphatisch als 'Us' Moderspraak' verherrlicht, so ein unfassbar schlechtes Platt schreibt. Im Grunde sind seine Gedichte in einer kruden Mischung aus Platt- und Hochdeutsch verfasst; "Fleck" zum Beispiel müsste im hiesigen Dialekt eigentlich "Plack" heißen, und "erleben" heißt hierzulande auch nicht "erläben", sondern "beläben" - eigentlich sogar "beleven", aber das sähe wohl dem englischen "believe" zu ähnlich, das ja etwas ganz Anderes bedeutet. Ob unser Samtgemeinde-Poet mit solchen Schummeleien sicherstellen will, dass auch solche Leser, die nur über begrenzte Dialektkenntnisse verfügen, seine Message mitkriegen, ob der Reimzwang schuld ist oder ob er es wirklich nicht besser kann, sei mal dahingestellt.) 

Auf den ersten Blick wirkte dieser Gedichtschluss jedenfalls harmonisch genug, aber etwas daran wollte mir doch nicht gefallen. Es dauerte nicht lange, bis ich darauf kam, was das war: die Selbstverständlichkeit, mit der dieses lebende Fossil voraussetzt, er sei selbstverständlich ein Guter, und wer auch zu den Guten gehören wolle, der müsse mit ihm "tosam'steih'n". Nee, nee, Hasso Wieting, dachte ich. So nicht. 

Noch einmal fasste ich den Vers 

"denn schall ick dat woll noch erläben" 

ins Auge, und plötzlich hatte ich einen Geistesblitz. Ich griff zu einem dünnen Filzstift, strich ein kleines o durch und schrieb fein säuberlich ein kleines i darüber. 

"denn schall ick dat woll nich erleben" - 

na also, schon viel besser. Einen Moment lang betrachtete ich mein Werk voller Wohlgefallen und Schadenfreude; dann leitete ich es an den Setzer weiter, mit einem Kribbeln von gespannter Vorfreude auf die Veröffentlichung, das mich seither noch nicht ganz wieder verlassen hat. 

Vielleicht wird Hasso Wieting meine subtile  kleine Textänderung ja gar nicht bemerken. Aber irgendwie wäre das auch schade. Denn dann würde er sich ja nicht darüber ärgern. 


 

Dienstag, 6. Januar 2015

Türknauf statt Amoklauf

Die Klasse 6b des Gymnasiums Groß Söfingen drängt sich auf dem Flur vor ihrem Klassenraum und wartet auf ihren Lateinlehrer. Eigentlich hätte der Unterricht schon vor drei Minuten begonnen haben sollen, aber Lehrer Frank Bollenhagen ist noch nicht in Sicht. Ein paar Schüler freuen sich insgeheim darüber, dass die Lateinstunde heute etwas kürzer ausfallen wird, aber die meisten sind einfach genervt, dass sie auf dem Flur herumstehen müssen und nicht in ihren Klassenraum können. Über die Ferien sind die Klassenraumtüren nämlich mit Türknäufen anstelle von Türklinken nachgerüstet worden, sodass man sie von außen nicht mehr ohne einen Schlüssel öffnen kann. 

Ironischerweise ist genau das auch der Grund dafür, dass Lehrer Bollenhagen zu spät zum Unterricht kommt: Auf halbem Weg zum Klassenraum der 6b ist ihm aufgefallen, dass er seinen Schlüsselbund im Lehrerzimmer hat liegen lassen, und hat noch einmal umkehren müssen. 
Als offiziellen Grund dafür, dass die Klassenraumtüren neuerdings Knäufe statt Klinken haben müssen, hat die Schulleitung die Eindämmung von Amoklaufgefahr angegeben. Immerhin könne nun kein Unbefugter mehr während des Unterrichts von außen in die Klassenräume eindringen. Frank Bollenhagen findet diese Argumentation einigermaßen bizarr, auch wenn er zugeben muss, dass die Vorstellung eines Amokläufers, der erst brav an der Klassenraumtür anklopft, ehe er alle darin Befindlichen über den Haufen schießt, etwas Groteskes an sich hat. 

Das Gymnasium Groß Söfingen hat kürzlich sein 100jähriges Bestehen gefeiert, und manchmal hat Frank Bollenhagen das Gefühl, auch schon genauso lange hier zu unterrichten. Das heißt nicht, dass er sich alt fühlt - im Gegenteil, er ist gesund und fit und hat noch immer Spaß am Unterrichten. Aber an Tagen wie diesem kann er den Gedanken daran nicht unterdrücken, wie viel sich an dieser Schule verändert hat, seit er hier angefangen hat, damals, gleich nach dem Referendariat. Nicht nur, dass seine damaligen Kollegen inzwischen fast alle pensioniert sind und in den letzten paar Jahren so viele neue Lehrer an die Schule gekommen sind, dass Frank Bollenhagen sich kaum alle ihre Gesichter, geschweige denn ihre Namen merken kann. Nicht nur, dass das Gymnasium seit einigen Jahren nicht mehr erst mit der 7., sondern schon mit der 5. Klasse beginnt, sodass auf einen Schlag zwei volle Schülerjahrgänge zusätzlich an die Schule gekommen sind und Räume im ehemaligen Postamt angemietet werden mussten, weil die drei im Laufe der letzten hundert Jahre errichteten Gebäudetrakte nicht mehr genügend Unterrichtsräume hatten; oder dass Ganztagsunterricht eingeführt wurde, mit der Folge, dass die kleine Cafeteria des Gymnasiums zu einer regelrechten Mensa ausgebaut werden musste, damit die Schüler, die aus allen Teilen der Samtgemeinde kommen, an der Schule ein Mittagessen bekommen können (wenn auch ein schlechtes). Noch viel strapaziöser als all dies findet Frank Bollenhagen den Umstand, dass beinahe alljährlich die Schulordnung geändert wird - und jede Änderung scheint darauf abzuzielen, die Schüler immer mehr und noch mehr zu gängeln und zu drangsalieren. Und die Lehrer meistens gleich mit. Die Sache mit den Türknäufen ist da nur das jüngste Beispiel. Amoklaufgefahr, so ein Humbug.  

Es ist noch gar nicht so lange her, dass es den Schülern ab der 10. Klasse erlaubt war, in den Pausen in ihren Klassenräumen zu bleiben. Zwar gab es eigentlich keinen vernünftigen Grund für die Annahme, den Schülern könnte daran gelegen sein, ihre Pausen in den Klassenräumen zu verbringen; aber die Zehntklässler nutzten dieses Privileg trotzdem gern, einfach weil es ein Privileg war. In der 11. Klasse ließ der Reiz des In-den-Klassenräumen-Bleibens zumeist sehr rasch nach, denn nun wurde den Schülern ein neues Privileg zuteil: Sie durften in den Pausen rauchen. Allerdings nur auf einem speziellen Raucherschulhof, zu dem die Schüler der niedrigeren Klassenstufen keinen Zutritt hatten. Dieser Raucherschulhof ist inzwischen Geschichte. Das heißt, den Hof gibt es zwar noch, aber jetzt ist er kein Raucherschulhof mehr. Die runden, ehemals mit Sand gefüllten Betonelemente, um die sich die rauchenden Schüler zu versammeln und ihre Zigarettenkippen hineinzuwerfen pflegten, sind jetzt mit Blumen bepflanzt - hässlichen Blumen, wie Frank Bollenhagen findet, aber ihn fragt ja mal wieder keiner. Zugleich mit dem Raucherschulhof ist auch das Raucherlehrerzimmer abgeschafft worden. Das Zimmer gibt es natürlich noch, aber geraucht werden darf darin nicht mehr. Frank Bollenhagen hat zwar nie geraucht, aber trotzdem fehlt ihm etwas. Die alten Kollegen, die nicht nur genauso viel rauchten wie die Schriftsteller der Gruppe 47, sondern mit ihren Schnauzbärten und Cordsakkos auch genauso aussahen, sind aber größtenteils sowieso längst pensioniert, und die neuen Kollegen, besonders die, die frisch aus dem Referendariat kommen, sind zumeist Nichtraucher. Insofern besteht also im Grunde ohnehin kaum noch Bedarf für ein Raucherlehrerzimmer, aber Frank Bollenhagen findet, dass man es dann eigentlich auch nicht eigens hätte abschaffen müssen. 

Und nun also Türknäufe. Wegen Amoklaufgefahr. Vielleicht sollte man sich mal überlegen, denkt Frank Bollenhagen sarkastisch, ob es nicht eine effizientere Maßnahme zur Vermeidung von Amokläufen wäre, die Schüler und uns mit immer neuen sinnlosen Verboten zu verschonen. 

Ein vielstimmiges, überwiegend erleichtertes Raunen empfängt den Lehrer, als er seine wartende Klasse erreicht; ihm entgeht aber auch das leise Murren derjenigen nicht, die wohl insgeheim darauf gehofft haben, der Lateinunterricht würde heute ganz ausfallen. (Wahrscheinlich haben die ihre Hausaufgaben nicht gemacht, denkt er.) Er schließt die Tür auf, und während die Schüler ihre Plätze einnehmen, entschuldigt er sich für seine Verspätung und unterlässt es auch nicht, den Grund dafür anzugeben. 
"Ich finde, diese neuen Türknäufe sind eine ganz schön bekloppte Erfindung", murrt Noah-Pascal Nölting. Einige Mädchen kichern und werfen Noah-Pascal bewundernde Blicke zu, weil er es wagt, so etwas zu einem Lehrer zu sagen. 
"Da kann ich dir leider nicht widersprechen", erwidert Frank Bollenhagen lächelnd. Er empfindet von jeher eine gewisse Sympathie für aufsässige Schüler, wenngleich er sich sagen muss, dass es pädagogisch unklug wäre, sich das allzu deutlich anmerken zu lassen. 
Sofort schnellt Angelina Puvogels Finger in die Höhe, und als der Lehrer ihr mit einem leichten Zunicken das Wort erteilt, sprudelt es fast entrüstet aus ihr heraus: "Aber Frau Laarmann hat uns gesagt, das ist wegen der Amoklaufgefahr!" 
Carmelita Rössing, die neben Angelina sitzt, unterstützt diese Aussage mit eifrigem Nicken, wie sie es bei nahezu allem tut, was Angelina jemals sagt. 
Na klar, denkt Lehrer Bollenhagen und hat Mühe, nicht mit den Augen zu rollen. Linda Laarmann, die fleischgewordene Political Correctness des Kollegiums. Laut sagt er jedoch: "Ja, das stimmt. - Aber mal ehrlich, findet ihr diese Amoklauf-Angst nicht auch ein bisschen lächerlich?" 
Angelina wirkt beinahe schockiert. "Wieso denn lächerlich?", fragt sie verständnislos. "Es gab hier doch schon mal einen Amoklauf!" 
(Eifriges Nicken von Carmelita.) 
Irritiert runzelt der Lehrer die Stirn. "Was meinst du mit 'hier'?", fragt er. "Hier an der Schule?" 
(Angelina und Carmelita nicken stereo.) 
Frank Bollenhagen lässt seinen Blick durch den Klassenraum wandern, aber keiner der anderen Schüler, nicht einmal Noah-Pascal, widerspricht Angelina oder stellt die Frage, die der Lehrer folglich doch selbst stellen muss: 
"Wie kommt ihr denn auf sowas?" 
"Ja, wissen Sie das denn nicht?", fragt Angelina Puvogel, zunehmend fassungslos. "Es gibt doch sogar eine Gedenktafel mit den Namen der Toten. Im Altbau, neben dem Eingang zur Aula." 
Carmelita Rössing nickt immer eifriger, während Frank Bollenhagen ein paar Sekunden lang der Mund offen stehen bleibt, als ihm klar wird, wovon Angelina redet. An der angegebenen Stelle im Altbau hängt tatsächlich eine Gedenktafel mit den Namen von achtzehn Toten. Sie wurde erst kürzlich angebracht, im Rahmen der Hundertjahrfeier des Gymnasiums. Und über den achtzehn Namen prangt in handtellergroßen Lettern die Widmung: 

Zum Gedenken an unsere gefallenen ehemaligen Schüler
1939-1945. 

"Wisst ihr was?", sagt Lehrer Bollenhagen, als er sich wieder gefangen hat. "Packt eure Lateinbücher wieder ein. Wir machen heute mal ein bisschen Geschichtsunterricht." 



Donnerstag, 18. Dezember 2014

Fröhliche Schweinnachten!

Martin Wagener, Pfarrer der katholischen Kirchengemeinde Maria Himmelskönigin in Klein Söfingen, sitzt in der Wohnküche des Pfarrhauses und genießt bei Kaffee und Kuchen seinen bis auf Weiteres letzten freien Tag. Weihnachten steht vor der Tür, und das bedeutet eine unüberschaubare Menge Mehrarbeit. Auch außerhalb besonderer Festzeiten findet Pfarrer Wagener es oft erstaunlich, wie viel Arbeit so eine kleine Diasporagemeinde machen kann. Normalerweise liest er viermal in der Woche die Messe - sonntags und donnerstags in Klein Söfingen, sonnabends und mittwochs in der kleinen Allerheiligen-Kapelle in Gimmerten, wo die katholische Minderheit der Samtgemeinde, alles in allem gerade mal vier Prozent der Bevölkerung, eine Art Exklave bildet. An den Weihnachtstagen muss aber eine ganze Reihe zusätzlicher Messen gelesen werden, und davor und danach haben sämtliche Kreise und Gruppen der Pfarrei - Chor, Handarbeitskreis, Seniorenkreis, Krabbelgruppe, Jugendgruppe, Männergruppe - ihre weihnachtlichen Aktivitäten, bei denen der Pfarrer sich zumindest mal sehen lassen muss. Und das alles doppelt, in Klein Söfingen und in Gimmerten. Dazu kommen noch diverse nichtkirchliche Veranstaltungen in der Samtgemeinde, bei denen er ebenfalls Präsenz zeigen und seine Kirche repräsentieren muss. 
-- Wenigstens haben die Leute den Anstand, nicht ausgerechnet in der Weihnachtszeit heiraten zu wollen. Dafür wird aber umso eifriger gestorben. Und auch im Beichtstuhl muss Pfarrer Wagener Überstunden schieben, damit seine Schäfchen mit befreitem Gewissen die Geburt des Herrn feiern können. 

Wagener ist erst seit vier Jahren Pfarrer in Klein Söfingen. Er kommt aus dem Oldenburger Münsterland, wo jedes Haus und jeder Hof, jede Kuh und jedes Pferd, jeder Busch und jeder Baum, jeder Stock und jeder Stein katholisch ist - und nun hat es ihn in die tiefste Diaspora verschlagen. Immerhin, so sagt er sich, ist es ein Außenposten der katholischen Welt, den es zu halten gilt. So gesehen hat man ihm eine verantwortungsvolle Aufgabe anvertraut. 

Begründet wurde dieser Außenposten im Jahr 1946, als ein kleines Häuflein Heimatvertriebener aus Schlesien in der Gemeinde ankam - überwiegend Frauen und Kinder, die Männer waren größtenteils gefallen oder in Gefangenschaft. Ihren Pfarrer hatten sie gleich mitgebracht, einen ebenso rundlichen wie energischen Mann namens Knipp, der den Titel eines Geistlichen Rats trug. 
Dass die Schlesier sich gerade in Klein Söfingen niederließen, rührte daher, dass hier ein Bauer namens Ottenkurt einen Teil seiner Ländereien zur Verfügung stellte, um darauf Baracken für die Vertriebenen zu bauen - das war die Geburtsstunde der "Schlesiersiedlung" von Klein Söfingen, in der heute allerdings keine Baracken mehr stehen, sondern anständige Einfamilienhäuser, jedes mit einem kleinen Gemüsegarten. -- Bauer Ottenkurt, der aus der evangelischen Kirche ausgetreten war, erlaubte dem Geistlichen Rat Knipp sogar, in einer ungenutzten Scheune seines Hofes die Heilige Messe zu feiern. Vermutlich wollte er damit vor allem den evangelischen Pastor ärgern, aber das brauchte die Schlesier nicht zu kümmern. Für sie schien es damals - sehr zur Verblüffung der Einheimischen - das Wichtigste auf der Welt zu sein, sonntags die Heilige Messe feiern zu können; sogar wichtiger als Essen und Trinken. (Heutzutage ist das, wie Pfarrer Wagener jeden Sonntag aufs Neue feststellen kann, nicht mehr ganz so.) 

Der umtriebige Geistliche Rat Knipp und der bärbeißige Bauer Ottenkurt waren zwei Männer, die sich gesucht und gefunden zu haben schienen. Ob es stimmt, dass Ottenkurt sich noch auf dem Sterbebett zum Katholizismus bekehrt und von Knipp die Sakramente gespendet bekommen hat, darüber sind die Meinungen bis heute sehr geteilt; sicher ist aber, dass sie enge Freunde wurden und einander halfen, wo sie konnten. Als Anfang der fünfziger Jahre die Brunnen-Schenke, eine noch aus dem 19. Jahrhundert stammende Gastwirtschaft in Klein Söfingen, abbrannte, der 1905 angebaute Tanzsaal aber stehen blieb, setzte Bauer Ottenkurt sich dafür ein, dass der Geistliche Rat Knipp den Saal für seine katholische Gemeinde erwerben konnte, und einige Jahre später wurde der Bau zur Kirche Maria Himmelskönigin geweiht. 

Martin Wagener ist erst der vierte Nachfolger des Geistlichen Rats Knipp. Alle seine Vorgänger sind hier alt geworden, und Wagener stellt sich gern vor, wie sie in ihrer wohl damals schon knapp bemessenen freien Zeit am Schreibtisch des Pfarrhauses mit Blick auf die Schafweide gesessen und im wahrsten Sinne des Wortes Schäfchen gezählt haben. Bestimmt hat jeder von ihnen ein Geistliches Tagebuch voller erbaulicher Betrachtungen über das Landleben geführt. Irgendwo, denkt er, müssen diese Tagebücher doch noch im Hause sein, aber in vier Jahren hat er sie nicht auffinden können. Vielleicht gibt es sie also auch gar nicht. 

Die Türglocke reißt Pfarrer Wagener aus seinen Gedanken, und vor seinem geistigen Auge sieht er den erhofften freien Tag in Rauch aufgehen. Theoretisch könnte es zwar auch bloß der Paketbote sein, der da läutet, aber nein, so viel Glück hat er nicht. Vor der Tür steht Jette, die alte Hauswirtschafterin des benachbarten Bauernhofs von Karsten Klausmüller. Sie ist sichtlich aufgeregt. 
"Herr P'stoor", sagt sie hastig, und Martin Wagener verzichtet darauf, zu betonen, dass seine Amtsbezeichnung korrekt 'Pfarrer' laute. Das ist den Leuten hier nicht beizubringen. "Herr P'stoor, Se müssen zu uns auf den Hof kommen, schnell. Es is ein Notfall." 

Ein Diener Gottes ist immer im Dienst, denkt Pfarrer Wagener mit einer eigentümlichen Mischung aus Resignation und Stolz. Ein rascher Blick in den Spiegel, um das Kollar zu richten; dann holt er den Notfallkoffer aus seinem Arbeitszimmer, wirft sich eine Jacke über, und schon ist er bereit. Er macht sich nicht erst die Mühe, das Fahrrad oder gar das Auto aus der Garage zu holen: Karsten Klausmüllers Hof beginnt gleich jenseits der Schafweide, und auch wenn er außen herum geht, ist es nur ein Fußweg von wenigen Minuten.
Es ist der ehemalige Ottenkurt-Hof, aber jetzt gehört nur noch ein kleiner Teil seiner ehemaligen Ländereien dazu. Dass der alte Ottenkurt anno '46 so bereitwillig Land an die Gemeinde abtrat, damit dort eine Barackensiedlung für die Vertriebenen errichtet werden konnte, hatte wohl auch damit zu tun, dass der Hof schon damals weitgehend heruntergewirtschaftet war und Ottenkurt keinen Erben hatte. Den Großteil des Besitzes haben sich nach seinem Tod die Noltes und die Boltes unter den Nagel gerissen, das Hofgebäude, die Stallungen und ein Stück Kartoffelacker hingegen haben die Klausmüllers übernommen, entfernte Verwandte Ottenkurts. Auf diesem kleinen Resthof betreibt Karsten Klausmüller jetzt Bio-Landwirtschaft. 

Martin Wagener ist etwas irritiert, als die alte Jette ihn nicht ins Wohngebäude des Hofes führt, sondern in den Schweinestall. Dort steht der Bauer, Karsten Klausmüller, angespannt und unbeweglich, einen sorgenvollen Blick auf eine trächtige Sau geheftet, die auf der Seite liegt und erbarmungswürdig schnauft. Auf den Gruß des Pfarrers hin erwacht der Bauer aus seiner Erstarrung. "Herr P'stoor, Gottseidank, dat Se da sünd." 
"Was kann ich für Sie tun?", entgegnet Pfarrer Wagener sachlich. 
Karsten Klausmüller bemüht sich, Hochdeutsch mit dem 'zugezogenen' Pfarrer zu sprechen, aber in der Erregung verfällt er doch immer wieder in sein gewohntes Platt zurück. Was Martin Wagener aus seinen Worten entnehmen kann, ist, dass Klausmüllers Zuchtsau Ferkel bekommen sollte, dass es nun aber Komplikationen gebe; anscheinend habe sich ein Ferkel quer gestellt. Nun hat der Bauer Angst, dass ihm seine Sau verreckt, und schlimmstenfalls die Ferkel gleich mit. 
Der Geistliche findet es nicht schwer einzusehen, dass für einen kleinen Bio-Bauern der Verlust einer Zuchtsau und womöglich auch noch eines ganzen Wurfs Ferkel eine Katastrophe wäre. Dennoch fragt er nüchtern: "Ist das nicht eher ein Fall für den Tierarzt?"
Der habe am anderen Ende der Gemeinde zu tun und könne nicht kommen, erklärt Klausmüller. "Und wenn de Veehdoktor nich hölpt, denn hölpt blots noch de P'stoor. Dat hebb ick vun min' Vadder un' min' Grootvadder lernt." 
"Und was erwarten Sie jetzt von mir?", fragt Wagener etwas beunruhigt. 
Ungeduldig, fast schon verärgert, als finde er diese Frage herzlich überflüssig, entgegnet der Bauer: Segnen solle er das Schwein. Für eine gute Geburt der Ferkel beten. 
Der Pfarrer ist einigermaßen erleichtert, aber einen Einwand hat er doch noch:"Sie sind doch gar nicht katholisch." Er meint es gar nicht unfreundlich, aber kaum hat er diese Worte ausgesprochen, da merkt er, dass sie gleichwohl so wirken könnten. 
Karsten Klausmüller scheint das jedoch gar nicht krumm zu nehmen. "Unsen evangelischen P'stoor mokt sowat nich' ", erklärt er. "De seggt, dat is Aberglauben." 

Der Pfarrer nickt und macht sich ohne weitere Umstände an die Arbeit. Er öffnet seinen Notfallkoffer, nimmt die violette Stola heraus, die zusammengefaltet gleich zuoberst liegt, und legt sie sich um den Hals, außerdem entnimmt er dem Koffer noch ein Buch und einen eigentümlich geformten Metallgegenstand, ein Taschenaspergill zum Verspritzen von Weihwasser. Er schlägt ein Kreuzzeichen über der schwer atmenden Sau, besprengt sie mit ein bisschen Weihwasser; dann weiß er erst einmal nicht weiter. Aber er hat ja sein Buch dabei. Er blättert kurz im Register... Segensgebete... Segensgebete für Vieh. Sieh an, da gibt's ja Einiges. Hat er nur bisher nie gebraucht, denn die Bauern hier sind ja alle nicht katholisch. Und in seiner südoldenburgischen Heimat ist er auch noch nie zu Fällen wie diesem gerufen worden. Da war er ja auch nur Kaplan. Komisch eigentlich, denkt er, dass Pastor Berens 'so etwas' prinzipiell 'nicht macht'. Wäre doch genau seine Zielgruppe. Er beschließt, er müsse sich mal erkundigen, ob die anderen evangelischen Pastoren im Einzugsbereich seiner Pfarrei das genauso handhaben. Da könnte ein gewisses missionarisches Potential schlummern. 

Kaum hat Pfarrer Wagener sein Gebet zu Ende gesprochen, da kommt schon das erste Ferkel aus dem Leib der Sau hervor - rosig, drall und kerngesund. Bauer Karsten Klausmüller schlägt dem Geistlichen so enthusiastisch auf die Schulter, dass ihm fast die Knie nachgeben. "Seh'n Se, Herr P'stoor, dat wirkt schon! - Nu mööt wi een Korn drinken." 
Als hätte sie nur auf dieses Kommando gewartet, bringt die alte Jette, die sich bisher respektvoll im Hintergrund gehalten hat, wie aus dem Nichts eine Flasche Korn und zwei Gläser herbei. Normalerweise trinkt Pfarrer Wagener so gut wie keinen Alkohol, abgesehen von dem Schluck Messwein viermal in der Woche und zu besonderen Festzeiten des Kirchenjahres etwas öfter. Aber es gibt eben Situationen, da kann man nicht gut nein sagen - und dies ist eindeutig eine solche, das wäre ihm auch ohne Karsten Klausmüllers Bekräftigung "Dat's Traditschoon!" klar genug gewesen. Also stürzt er todesmutig den Korn hinunter - und da kommt auch schon das zweite Ferkel, und ehe er sich's versieht, hat Klausmüller ihm das Schnapsglas wieder gefüllt. 
"Wie", fragt der Geistliche irritiert, "noch einen?" 
Na und ob!, bestätigt Bauer Klausmüller lachend: für jedes Ferkel einen, so sei es Brauch. Anderswo, so fügt er verschmitzt hinzu, werde sogar für jedes Bein und jedes Ringelschwänzchen ein Schnaps getrunken. 
Das macht also fünf Schnäpse pro Ferkel, rechnet Pfarrer Wagener nach und ist herzlich froh, dass hier nicht 'Anderswo' ist. 

Die Ferkel erblicken jetzt immer rascher hintereinander das Licht der Welt - drei, fünf, sieben, der Pfarrer kann gar nicht so schnell trinken, wie Klausmüller ihm nachschenken will. Immer wieder bedankt sich der Bauer bei ihm für seine Hilfe, umarmt ihn, halb lachend, halb weinend vor Glück. 
Schließlich liegen zwölf allerliebste Ferkelchen friedlich neben ihrer Mutter im Stroh. Der Schweinestall dreht sich vor Martin Wageners Augen, aber er rafft sich doch noch dazu auf, die Ferkelschar mit einem Kreuzzeichen zu segnen und mit ein paar Tröpfchen Weihwasser zu besprengen, ehe er das Taschenaspergill, das Gebetbuch und die Stola umständlich wieder in seinem Notfallkoffer verstaut. 

Es ist schon stockdunkel, als Pfarrer Wagener, schwer angetrunken, quer über die Schafweide seinem Pfarrhaus zuwankt. Wenn sich das herumspricht, denkt er, bin ich für die Leute hier nur noch der 'Schweinepriester'. Zumindest bei den Nichtkatholiken. Den Spitznamen werde ich doch nie wieder los. Dennoch ist er nicht unzufrieden. Dem Bischof wird er wohl lieber nicht davon berichten, aber er denkt doch mit einem Lächeln: Immerhin gibt es jetzt in dieser Gemeinde ein paar katholische Schweine mehr.



Montag, 15. Dezember 2014

Dein Flecken und Flur trösten mich

Ich will mich zwar nicht selber loben - aber wenn es schon sonst keiner tut: Ich glaube, der Grund, warum meine Arbeit als Redakteur beim Landkreisboten mir oft so schwer fällt, ist zugleich auch der Grund dafür, dass ich so gut darin bin. Der Schlüssel zu beidem ist, dass ich aus einer Familie von Zugezogenen komme. Ich bin zwar in der nächsten Stadt geboren, die die Bezeichnung 'Stadt' verdient, und hier in der Samtgemeinde aufgewachsen, aber in den Augen der Alteingesessenen macht das keinen Unterschied: Für die bleiben Zugezogene auch in der dritten Generation noch Zugezogene. 

Aber wie gesagt, für die Arbeit ist es nützlich. Einerseits kenne ich dadurch, dass ich hier aufgewachsen bin, jeden Flecken der Samtgemeinde, von Winnenhögede im Nordwesten bis Kirchmänningen im Südosten, in- und auswendig; ich kenne auch die großen alten Familien, die seit Jahrhunderten die Geschicke all dieser Dörfer und Bauernschaften in Händen halten - die Noltes und ihre illegitimen Anverwandten, die Nöltings; die Boltes und Boltemüllers, die Söfings und Rössings; die Familien Klausmüller und Müllerklaus, unter denen es heftig umstritten ist, ob und wie sie miteinander verwandt sind; all die Schmidtjohanns und Wietings, Linterns und Ermschers. Aber ich bin eben keiner von ihnen - und das ist auch gut so. Denn dadurch, dass ich in all den Jahren, die ich hier lebe, nie so ganz in der Sphäre der Einheimischen angekommen bin, habe ich mir einen fremden Blick auf das scheinbar Bekannte bewahren können. Und das halte ich für wichtig, ja für lebenswichtig für einen Journalisten. Ein Journalist, der anfängt, die Dinge um sich herum für normal und selbstverständlich zu halten, ist für seinen Beruf nicht mehr zu gebrauchen. Das ist beinahe eine Form von Blindheit. 

Wenn man als Lokaljournalist in dieser Samtgemeinde der Versuchung erliegt, die Dinge, wie sie sind, als normal und selbstverständlich hinzunehmen, dann sieht man nur gut 200 Quadratkilometer norddeutscher Landschaft, bewohnt von fünfzehntausend ganz gewöhnlichen Menschen, die ihren ganz normalen, alltäglichen Tätigkeiten nachgehen. Durch die Geestrandlage ist das Landschaftsbild sehr hügelig - äh nein, ich meine: vielfältig. Einen Großteil der Fläche nehmen Weidegründe für Milchvieh ein, dazwischen Anbauflächen für Kartoffeln, Mais und andere Feldfrüchte - und ein bisschen chemische und metallverarbeitende Industrie. Hat man sich einmal daran gewöhnt, die Dinge so zu nehmen, wie sie sind, findet man es auch nicht weiter bemerkenswert, dass diese Industrieanlagen mitten zwischen die Viehweiden und Maisfelder geklatscht sind, als wären da UFOs gelandet. Dann kann man vielleicht auch die soundsoviel Kühe ignorieren, die Jahr für Jahr tot auf der Weide umfallen oder notgeschlachtet werden müssen, und muss sich erst gar keine Gedanken darum machen, ob etwas, das für Kühe schlecht ist, vielleicht auch für Menschen nicht so prima sein könnte. Hat man sich hingegen seinen fremden Blick bewahrt, dann weiß man auch: Keine Landschaft ist so idyllisch, dass sich in ihr nicht irgendwo eine Jarosit-Deponie verstecken könnte, deren Inhalt ausreichend würde, die gesamte Weltbevölkerung dreimal zu vergiften. 

Andererseits darf man aber auch nicht in die Falle tappen, die Industrie zu verteufeln und dafür die Landwirtschaft zu idealisieren. Die ist nämlich, wenn man genau hinsieht, ein mindestens genauso schmutziges Geschäft. Und damit meine ich nicht nur (aber natürlich auch) den ökologischen Aspekt. 

Eine grundsätzliche Wahrheit über Landwirtschaft, die sich Jeder, der nicht den Fehler macht, Dinge für selbstverständlich zu halten, an seinen zehn Fingern abzählen kann, lautet: Es gibt bessere und schlechtere Böden. Gerade in Geestrandlage. Natürlich will jeder Bauer die besseren Böden für sich haben. Soll man sich da noch wundern, dass die großen Bauern der Samtgemeinde, so jovial sie nach außen hin miteinander umgehen, einander insgeheim durchweg spinnefeind sind? 

Aufgewachsen bin ich in Gimmerten, dem Hauptort einer der fünf Einzelgemeinden, die im Zuge einer Gebietsreform ein paar Jahre vor meiner Geburt zur Samtgemeinde zusammengeschlossen wurden. Gimmerten ist die nordwestlichste dieser fünf Gemeinden, und in gewissem Sinne die ländlichste - insofern, als es dort keine Industrie gibt, abgesehen von einer Futtermittelfabrik, die aber ja im weitesten Sinne auch noch als landwirtschaftlicher Betrieb gelten kann. Dafür hat die Gemeinde Gimmerten guten Boden - Marschboden nämlich. Das führt dazu, dass sich dort auch kleine Bauernhöfe noch recht gut über Wasser halten können, während in den südlicheren und östlicheren Teilen der Samtgemeinde nahezu das ganze Land in den Händen einiger weniger Großbauern ist, und das auch nicht erst seit gestern. Früher jedoch haben die Großbauern diejenigen ihrer Ländereien, die sie nicht selbst bewirtschaften konnten, verpachtet. Das ist heute, angesichts immer größerer und immer effizienterer Landmaschinen, kaum mehr notwendig. Folglich werden den Pächtern ihre Pachtverträge entzogen, und sie ziehen entweder weg oder sie suchen sich eine andere Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt zu verdienen - zum Beispiel in der Industrie. Oder sie verarmen eben. Wie die Rössings in Achternbeek in der Gemeinde Möhlenbeek, obwohl sie eigentlich aus einer reichen Familie stammen. Oder wie die Ermschers, die noch vor drei Generationen den zweitgrößten Hof in der Gemeinde Gimmerten, den Wetterhof in Winnenhögede, in Pacht hatten. Wobei man sagen muss, dass das beides keine besonders guten Beispiele sind, weil beide Familien nicht ganz ohne eigene Schuld verarmt sind. Da war in beiden Fällen eine ganze Menge Alkohol und Misswirtschaft im Spiel. 

-- Das ist übrigens noch so etwas, wofür es notwendig ist, sich den fremden Blick zu bewahren. All diese sauberen, anständigen Leute, die brav ihre Steuern zahlen, im Samtgemeinderat oder im Kuratorium dieser oder jener wohltätigen Stiftung sitzen und sich beim Neujahrsempfang auf Gut Rössingen im Glanz ihrer Wohlanständigkeit sonnen, haben nämlich durch die Bank so ihre Leichen im Keller. Und das mehr oder weniger sogar im wortwörtlichen Sinne: Es gibt kaum eine große alte Familie in der Samtgemeinde, wo nicht mal eine Frau ihren Mann (oder umgekehrt) mit der Axt erschlagen, ein jüngerer Bruder den älteren - vorgeblich aus Versehen - auf der Jagd erschossen oder ein von der Abschiebung aufs Altenteil bedrohter Bauer seine Schwiegertochter geschwängert hätte. Das alles muss man, wenn einem seine Stellung als Lokalredakteur lieb ist, nicht unbedingt offen zur Sprache bringen; aber wissen muss man es. 

Das mag alles sehr bitter klingen, und Sie könnten mich jetzt fragen, warum um alles in der Welt ich denn nach meinem Studium und meinem Volontariat bei einer größeren, großstädtischeren Zeitung wieder hierher zurückgekommen bin. Sicher hätte ich doch auch irgendwo anders eine vergleichbare, wenn nicht bessere Stellung finden können. - Wissen Sie was? Manchmal stelle ich mir selbst genau diese Frage. Was mich bloß geritten hat, ausgerechnet bei der Lokalredaktion des Landkreisboten anzuheuern. Meine erste Antwort lautet dann stets, es sei nun einmal wichtig, dass es hier jemanden gibt, der hinter die Fassaden schaut und sich nicht von der scheinbaren Normalität einlullen lässt. Und wenn ich das nicht täte, wer täte es dann? Aber im Grunde weiß ich selbst, dass das keine überzeugende Antwort ist. 

Besonders sonnabends nachmittags, wenn ich etwas Ruhe von der Arbeit habe, weil am Sonntag keine Zeitung erscheint, lässt mich dieser Gedanke oft nicht los. Und dann hole ich mir manchmal, vorausgesetzt es ist schönes Wetter, mein Fahrrad aus der Garage und lasse die Häuser und Gärten von Groß Söfingen hinter mir - in nicht einmal zehn Minuten bin ich auf freiem Feld. Es war eine der seltenen guten Ideen der Samtgemeindeverwaltung, das Netz der Wirtschaftswege, das die Felder und Weiden durchzieht, als Radwanderwege zu beschildern. Ohne diese Wegweiser an jeder Kreuzung und Gabelung wäre es ein Wagnis, sich diesem Labyrinth auszuliefern, selbst für mich, der ich doch einigermaßen ortskundig bin. Ich könnte mich für Stunden in dieser grünen Landschaft verlieren, dieser schier endlosen Weite, die nur hier und da unterbrochen wird durch eine Baumgruppe, eine gewölbte Holzbrücke über einen kleinen Wasserlauf, den spitzen Turm einer spätmittelalterlichen Backsteinkirche oder eine uralte, geduckt und runzlig dastehende Bauernkate mit ihrem fast bis zur Erde reichenden reetgedeckten Dach. Und dann fällt mir wieder ein, was der eigentliche Grund ist, warum ich hier bin. Nämlich - auch wenn es mir selbst sonderbar vorkommt, das zu sagen - weil ich dieses Land liebe. Es ist eine vielfach unerwiderte, oft enttäuschte, immer wieder hart auf die Probe gestellte Liebe, aber das hat sie letztendlich nur stärker gemacht. 

Und schließlich ist Liebe ja auch eine Art, die Dinge nicht als selbstverständlich hinzunehmen.